Ich stehe vor der fast 14 Meter hohen Mariensäule in Münchens Zentrum. Die Hand halte ich schützend vor die Augen, denn heute steht die vergoldete Bronzestatue der Gottesmutter vor einem strahlenden weiß-blauen bayerischen Himmel. Ihr bekröntes Haupt hebt sich hell vom blauen Himmel ab, das Zepter leuchtet golden.
Die Muttergottes erhört den Kurfürsten
Die berühmte Mariensäule wurde im Jahr 1638 auf dem Marienplatz, der früher der Marktplatz der Stadt war, errichtet. Gegossen wurde sie jedoch schon 45 Jahre früher und war zunächst für das Grabmal von Wilhelm V. in der Michaelskirche bestimmt, anschließend stand sie am provisorischen Hochalter der Frauenkirche. Kurfürst Maximilian I., ein glühender Marienverehrer, ließ die Marienfigur dann auf einer Säule am prominentesten Platz Münchens aufstellen, nachdem seine Gebete zur Gottesmutter erhört wurden und die Stadt von Angriffen während des Dreißigjährigen Krieges verschont geblieben war.
Ein Vertrag, mit dem eigenen Blut geschrieben
„Der hochmögenden Schutzfrau Bayerns hat wegen Erhaltung der Heimat (…) dieses bleibende Denkmal für die Nachkommen dankbar und demütig errichtet Maximilian (…)“ heißt es daher in der lateinischen Inschrift. Maximilian I. brachte einen wahrlichen Marienkult nach München, ließ schon 1610 eine Münze mit der Mutter Gottes prägen, verschrieb sich ihr in einem Vertrag mit seinem eigenen Blut und löste einen Trend aus, in dem er seinem Sohn Ferdinand den weiblichen Namen Maria als zweiten Vornamen gab.
Das Geheimnis der Silberkapsel
Als am 7. November 1638 der Bischof von Freising die Mariensäule einsegnete, überreichte ihm Kurfürst Maximilian I. eine geheimnisvolle silberne Kapsel. Diese wurde sorgfältig unter der Krone Mariensäule platziert. In dieser Kapsel befinden sich bis zum heutigen Tage wertvolle, hochheilige Reliquien: ein halber Dorn der Dornenkrone Christi, Partikel von den Gebeinen Johannes des Täufers, der Apostel Petrus, Jakobus, Bartholomäus und Simon, sowie der Heiligen Arsatius und Quirinus. Anläßlich der Restaurierung der Säule Mitte des 19. Jahrhundert, nach einer verheerenden Choleraepidemie, rüstetet man nach: die kostbare Reliquienkapsel erhielt eine lateinische Inschrift und es wurden weitere Reliquien hinzugefügt: vom Kreuz Jesu Christi, von den übrigen heiligen Aposteln, von den Heiligen Benno, Korbinian und Sebastian.
Ein Freiluftaltar
Damit (über)erfüllt die Mariensäule die Bedingungen für einen Altar. Kein Wunder, dass wichtige Gottesdienste der Vergangenheit hier abgehalten wurden, zum Beispiel 1782, als Papst Pius VI. in München weilte. Noch bis in das Jahr 1773 wurden am ersten Sonntag nach Allerheiligen Prozessionen zur Mariensäule durchgeführt. Im aufgeklärte München fand man solche öffentlichen Litaneien nicht mehr zeitgemäß, und so wurden sie Anfang des 19. Jahrhunderts verboten. 1854, Angesicht der Cholera, besannen sich die Münchner eines Besseren und fingen wieder an, Gottesdienste an der Mariensäule abzuhalten. Päpstlichen Besuch bekam sie allerdings erst wieder 1980 mit Johannes Paul II. und dann natürlich 2006 durch den „bayerischen Papst“ Benedikt XVI.
Was wenige wissen: Noch heute werden Gottesdienste an der Mariensäule abgehalten – jeden Samstag Abend.