Das Kabinettsgärtchen in der Residenz

Was nennen wir einen Kraftort? Vielleicht ist es ganz einfach ein Ort, „der uns gut tut“, wie der Autor Fritzl Fenzl schreibt. Ein Ort, an dem wir „auftanken“ können, der uns „hinspüren“ und „in guten Kontakt mit der Natur“ treten lässt.

Als ich mein Fahrrad auf dem Weg zum Kabinettsgärtchen über den Marstallplatz lenke, bemerke ich es schon: Es wird ruhiger. Ich schiebe mein Rad durch den schmalen Eingang und befinde mich – als einzige Besucherin an einem sonnigen Samstagnachmittag! – in dem sparsam bepflanzten und daher aufgeräumt, aber nicht kalt wirkenden Gärtchen.

Das geheime Kabinett

Der Boden und die Bänke sind aus sehr hellem Kalkstein, die ockerfarbenen Fassaden dahinter wirken dagegen warm, südländisch. Zwei 16 Meter lange Wasserwannen ziehen sich symmetrisch durch den Garten. Darin sind grüne und rote Glasstreifen angebracht, die ein „virtuelles Blumenbeet“ darstellen sollen. Die Wasserbecken wirken modern, schlicht, unaufgeregt. Die üppigen rosafarbenen Rosen davor verleihen dem Kabinettsgärtchen dazu jedoch etwas Verträumtes, Romantisches.

Wasser bringt Ruhe und Kraft

Der Garten kann auf seinen breiten, geradlinigen Seitenwegen komplett umrundet werden. Steht man gegenüber dem Eingang, entdeckt man eine weitere Wasserquelle im Kabinettsgärtchen. Unter vier Platanen, deren schwer gewordene Kronen sich wie zum Plaudern zusammengesteckte Köpfe aneinander lehnen, sprudelt ein kleines Brunnen-Rund. Liegt das Wasser in den beiden langgezogenen Becken ruhig und still, plätschert es hier bewegt und erzeugt das einzige Geräusch, das ich um mich herum vernehmen kann.

Eine Oase inmitten der Stadt

Das Kabinettsgärtchen ist erst seit dem Jahr 2003 offen zugänglich, bei seiner Entstehung in der Mitte des 19. Jahrhunderts konnten nur Zugehörige der Residenz in den Genuss seiner beruhigenden Atmosphäre kommen. Nachdem der Garten im 20. Jahrhundert verwilderte und als Gemüsegarten und Hühnerhof zweckentfremdet wurde, erfolgte eine aufwändige Renovierungsarbeit.

Ein Glück, denn an diesem Samstag lasse ich die Menschenmassen in der Fußgängerzone in ihrer Hektik unter sich, schenke einen kleinen umkämpften Platz am Eisbach einem Anderen und setze mich auf eine helle kühle Steinbank. Um an der Stille noch etwas „aufzutanken“, noch etwas mehr „hinzuspüren“ (hin an den Ort, oder auch in mich?), und um in Kontakt mit dem plätschernden Springbrunnen, dem still daliegenden Wasser und den raunenden Platanen zu kommen.

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