Symbole auf Grabsteinen I

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Symbole auf Grabsteinen I

Grüße aus der Anderswelt

Wer auf einem Friedhof des 18. und 19. Jahrhunderts unterwegs ist, der wird immer wieder Zeichen und Symbole auf den Grabsteine entdecken, die sich wiederholen. Fernab der klassischen Kreuzform weisen die Denkmäler ähnliche Formen auf, die vielfältig, aber nicht beliebig erscheinen: Pyramiden, Obelisken, Engel, Portale, Treppen. Nicht nur christliche Symbole sind zu finden, auch einige, die aus einem anderen Kontext zu stammen scheinen wie Schmetterlinge, Mohnkapseln, Sanduhren, Muscheln. Dem modernen Betrachter entzieht sich die Bedeutung dieser Zeichen in der Regel. Daher verstehen wir die Botschaften auf den Grabsteinen nicht mehr, obwohl wir ahnen, dass sie mehr sind als nur Ornamente.

In einer kleinen Reihe zur Symbolik auf Grabsteinen wollen wir die wichtigsten Symbole entschlüsseln. So kann jeder Interessierte wieder anfangen, Grabsteine zu lesen und sie als Gruß der Persönlichkeit begreifen, die hier ihre letzte Ruhe gefunden hat.

Schmetterling

Diese flüchtigen, ätherischen Wesen, die Schmetterlinge – sind sie nicht ein ideales Bild für die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit des Lebens? Gerade noch sogen wir am Nektar von Liebe, Lust und Leidenschaft, genossen das Leben in vollen Zügen – nun liegen wir in der Gruft und unter der Erde. Doch wer nur diesen Aspekt im Schmetterling auf Gräbern erkennen will, sieht die tiefere Bedeutung dieses Symbols nicht.

Schmetterlinge sind wie Wesen aus einer anderen Welt. Allein deshalb passen sie schon wunderbar auf so manchen Grabstein. Dass sich dahinter aber vielmehr ein Symbol der Auferstehung verbirgt, wird jedem einsichtig, der sich den Lebenszyklus dieses Insekts vergegenwärtigt. Als Raupe fristet es zunächst eine ganze Weile sein Dasein. Dann zieht es sich an einen geschützten Ort zurück und beginnt sich zu verpuppen. Ein Kokon bildet sich aus. Nach einiger Zeit bricht diese Hülle auf und der Schmetterling erblickt das Licht der Welt. Er breitet seine bunten Flügel aus und flattert von dannen.

Die Verwandlung von der erdgebundenen Raupe zum lichten und luftigen Schmetterling ist eine Metapher für das Leben des Menschen und seinen Tod. In die Hülle unseres Körpers gezwängt unterliegen wir den Gesetzen alles Irdischen. Schließlich endet unser Körper im Sarg. Doch wie der Schmetterling sich aus seinem Kokon befreit, löst sich unsere Seele aus dem im Sarg eingeschlossenen Leib – und geht in eine andere Welt ein.

Was für ein schönes Bild! Das altgriechische Wort für Schmetterling ist dasselbe wie für Seele: ψυχή psychē, die Psyche. Diese bedeutet seiner Wurzel nach so viel wie “ausgeatmete Luft”. Dabei sahen die alten Griechen eher den Nachtfalter als das Seelentier, weniger den Tagfalter, der von Blüte zu Blüte flattert. Dies erkennen wir auch heute noch in der Grabkunst, denn so mancher Schmetterling gleicht eher einer Motte. Steht er dann für die Seele, die von jenem Licht des jenseitigen Lebens unwiderstehlich angezogen wird? Einem Licht, von dem so viele mit Nahtoderfahrungen berichten und das am Ende eines Tunnels auf uns wartet?

Sanduhr

Die Zeit des Lebens rinnt uns durch die Finger wie Sand. Die Sanduhr steht für die Grunderfahrung dieser verrinnenden Lebenszeit – und für die Mahnung an unsere Endlichkeit. Denn auch unser Leben ist befristet, auch wenn wir nicht wissen, wie viel Sand wir zur Verfügung haben, bis das letzte Körnchen fällt. Gewiss ist nur eins: Irgendwann sind wir dran. Auf dieser Ebene möchte das Symbol also sagen: Denk dran, Vorübergehender, eines Tages ist auch deine Zeit abgelaufen … Ein Totenschädel in Verbindung mit der Sanduhr verstärkt den Eindruck noch.

Doch das Symbol greift noch tiefer. Die Sanduhr ist ein Attribut von Kronos, den die Römer Saturn nannten. Saturn wiederum ist in der Vorstellung des antiken Weltbildes der Planet der letzten Sphäre vor dem Fixsternhimmel. Er ist der Hüter der Schwelle in das Jenseits. Die fixen Sterne, die unbeweglichen also, stehen für die Ewigkeit, während die Wandelsterne, die Planeten, das irdische Leben regieren, das ununterbrochenen Veränderungen ausgesetzt ist. Und erinnert nicht die Form einer Sanduhr auch an eine 8 und damit an das Zeichen der Unendlichkeit ∞?

Manchmal haben die Sanduhren auch Schwingen, oft solche, die an Fledermausflügel erinnern. Auch dies ein Hinweis auf Kronos, der als Chronos der Herr der Zeit ist und gerne geflügelt dargestellt wird. Die Fledermausfügel lassen tief blicken, sind sie doch auch ein Attribut des Leibhaftigen. Manch einer betrachtet es nicht als Zufall, dass Saturn und Satan irgendwie ähnlich klingen … Vielleicht bedeutet es aber auch nur, dass die Seele wie auf Schwingen sich in den Himmel erhebt …

Ein Aspekt wird erst auf den zweiten Blick sichtbar: Eine Sanduhr kann man umdrehen – und dann rinnt der Sand auf eine Neues durch das Glas. Versteckt sich dahinter der Gedanke einer Wiedergeburt? Oder beginnt einfach ein neues, anderes Leben in einer anderen Sphäre?

Abgebrochene Säule

So manches Grab schmückt eine Säule, die weithin sichtbar ist. Doch halt! Bei genauerer Betrachtung stimmt etwas mit der Säule nicht … Siehe da: sie ist abgebrochen! Manchmal ist sie sogar deutlich verfallen und zur Seite gestürzt …

Um die Symbolik der abgebrochenen Säule zu verstehen, muss man sich zunächst die Symbolik der Säule selbst vergegenwärtigen. Säulen tragen ein Gebäude, beispielsweise einen Tempel. Eine abgebrochene Säule kann diese Funktion nicht mehr ausfüllen. Klar – der Mensch, der hier begraben ist, war also  einst ein Stützpfeiler seiner Familie, seiner Stadt, ja der Gesellschaft. Der Tod hat diese Stütze eingerissen. Nun droht das Ganze einzustürzen … Ein dramatisches Zeugnis dafür, wie schmerzhaft der Verlust dieses Menschen für die Hinterbliebenen gewesen sein muss.

Wie so oft ist bei einem Symbol das, was man nicht sieht, genauso wichtig wie das, was man sieht. Eine einzelstehende Säule ist eher die Ausnahme. Wir kennen sie von Votivsäulen wie beispielsweise der Mariensäule auf dem Marienplatz in München. Doch grundsätzlich ist eine Säule immer Teil eines Gebäudes, zum Beispiel einer Säulenhalle oder den Säulen, die das Dach eines Tempels tragen. So sehen wir zwar eine abgebrochene Säule, können uns aber im Geiste andere Säulen hinzudenken, die weiterhin das Gebäude tragen: das Sinnbild einer Gemeinschaft, die das Werk fortsetzt, auch wenn ein Einzelner aus ihrer Mitte genommen wurde.

Säulen trennen das Oben und das Unten. Sie sind, wie in den Mythen vieler Völker, Sinnbild für die Verbindung zwischen Himmel und Erde, der Weltensäule, um die sich alles dreht. Diese Weltachse wird mit dem Himmelspol identifiziert. Dieser wiederum geht durch den Polarstern, um den das gesamte Himmelszelt kreist. Wenn diese Säule bricht, ist das das Ende der Welt: der Himmel stürzt auf die Erde. Jeder Mensch ist so eine Weltenachse, will uns die Säule sagen. Wenn wir sterben, stürzt das Leben, so wie wir es kennen zusammen. Doch vielleicht erwächst aus diesen Ruinen etwas Neues …

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CAW

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