Seeungeheuer in Bayern

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Seeungeheuer in Bayern

Der Starnberger See

Als sich der Isar-Loisach-Gletscher am Ende der letzten Eiszeit vor etwas 15 bis 20 Tausend Jahren zurückzog, hinterließ er die schlanke Gestalt des Starnberger Sees. Etwa 20 Kilometer südwestlich von München erstreckt sich das Gewässer über eine Länge von 21 Kilometern auf eine Breite von etwa 5 Kilometern von Norden nach Süden. An seiner tiefsten Stelle misst er 128 Meter. Mit einer Fläche von 57 m²ist er der zweitgrößte bayerische See. Wenn der Fönwind bläst, bieten sich von seinen Hochufern aus atemberaubende Blicke auf die Bergkette der Alpen: Karwendel und Zugspitze scheinen zum Greifen nahe.

Die beeindruckende Schönheit seiner Lage übte immer schon eine große Anziehungskraft auf Menschen aus. Fürsten und Betuchte, Adelige und Prominente ließen und lassen sich noch heute an seinen Ufern nieder, bauten sich Schlösschen und prunkvolle Villen mit Blick auf den See. Ob uralte bäuerliche Tradition oder mondänes Flanieren auf der Promenade – am Starnberger See findet sich eine besondere Vielfalt an Lebensstilen wieder.

Der Wurm im See

Der Starnberger See ist nicht nur eines der beliebtesten Ausflugsziele der Münchner Stadtmenschen – er ist ein See voller Geheimnisse. Erst im Jahre 1962 erhielt er den Namen, unter dem er heute bekannt ist. Zuvor hieß er nur der Würmsee. Auf seinem Grund soll seit der Erschaffung der Welt ein riesiges Ungeheuer leben, ein Lindwurm. Sein in Tausende Windungen verschlungener Schlangenleib bedeckt den gesamtem Seeboden. Seinen Kopf aber hat es tief unter seinen Körper vergraben – und schläft. Doch es kommt der Tag, an dem wird es erwachen und sein Haupt erheben. Es wird auftauchen und aus dem See heraus kriechen. Dabei wird es eine gewaltige  Sturmflut auslösen, die alles Leben auf dem Land vernichten wird. An diesem schrecklichen Tage wird die Welt untergehen.

Das Ungeheuer im Ammersee

Auch wenn die sprachwissenschaftliche Erklärung den Lindwurm vom Würmsee ins Reich der Sagen verbannt – tatsächlich leitet sich sein Name vom Zufluss der Würm ab, von wirmina „die schnell dahin Strömende“ – kennen wir das Motiv des Wasserungeheuers aus vielen anderen Seen in den unterschiedlichsten Kulturen. Und die bayerischen Seen scheinen beliebte Aufenthaltsorte für Unterwasserungeheuer zu sein: auch im benachbarten Ammersee soll eines zuhause sein.

Einst habe man einen verurteilten Schwerverbrecher vor die Wahl gestellt, sich entweder in einem Glassturz auf den Grund des Sees hinabzulassen, um herauszufinden, ob sich dort auch eine riesige Schlange befände, oder gleich erhängt zu werden. Trotz großer Angst vor den Tiefen des Gewässers beschloss der Verurteilte das Wagnis einzugehen und so vielleicht sein Leben zu retten. Er wurde in einer eigens angefertigten Glasglocke in der Mitte des Sees auf Tauchfahrt geschickt. Als man die Glocke nach einiger Zeit wieder barg, fand man den Mann leichenblass und zu Tode erschrocken am Boden  zusammengekauert vor. Er konnte nur stammeln, als er berichtete, dass er dort in den Tiefen des Sees eine Stimme gehört hatte, die ihm drohte: „Ergründ’st du mich, so verschling ich dich!“ Nun war klar, dass auch der Ammersee einen Seedämon beherbergt.

Der Waller im Walchensee

Nicht weit entfernt finden wir am Fuße der Alpen den Walchensee, auf dessen Grund ein riesiger Waller, ein fürcherlicher Riesenfisch, hausen soll. Er liegt dort auf dem Grund des mit 200 Meter tiefsten bayerischen See und hat seinen Schwanz fest in seinem Maul. Im Gegensatz zum Wurm im Starnberger See schläft der Waller nie, sondern beobachtet mit seinen Augen, so groß wie Wagenräder, das Treiben der Menschen ganz genau. Wenn der Tag kommt, an dem die Sünde über das Leben der Mensch völlig die Oberhand gewonnen hat, wird er seinen Schweif loslassen. Von der gewaltigen Druckwelle wird der Kesselberg zerschlagen und die Wassermassen werden ins Tal stürzen und alles Leben vernichten. Auch das schöne München wird zerstört werden.

Es ist noch gar nicht so lange her, da begingen die Münchner regelmäßig Messen zur Buße, um den Waller im Walchensee zu besänftigen. Auch mit kleinen geweihten Goldgaben wie Ringen, die man in die unergründlichen Tiefen versenkte, versuchte man das Seeungeheuer für sich gewogen zu halten. Mit Erfolg, wie es scheint …

Drachen und Lindwürmer – Naturgewalten

Ungeheuer, die Land und Wasser bewohnen, kennen wir in den meisten Kulturen der Menschen. Es fällt leicht, in ihnen mythische Metaphern für Naturerscheinungen zu sehen: in der rot leuchtenden Gewitterwolke den Wetterdrachen, der Sturm, Hagel und Überschwemmungen durch endlosen Regen bringt, in den tosenden Gebirgsbächen, die nach einem Unwetter über die Ufer treten, den wütenden Wasserdrachen, und in Blitzen und Donnerschlägen den gefürchteten Feuerdrachen. Und wenn der weiße Nebel über den Gewässern aufsteigt, sah man darin den giftigen Atem eines Lindwurms, der in den Tiefen lauert und manchmal in seiner Wut riesige Wellen erzeugt, um Mensch und Tier in den Tod zu reißen und sie zu verschlingen.

Drachenpfade

Natürliche Landschaften, so heißt es in der Geomantie, der Lehre von den in der Erde wohnenden Kräften, sind durchzogen von Drachenlinien, auch Drachenpfade genannt. Man könnte sie als die Lebensadern unter der Oberfläche der Erde beschreiben. Drachen sind die mythologischen Stellvertreter für die Kräfte, die sich entlang dieser Adern bewegen. In China ist diese Vorstellung noch heute zum Beispiel im Feng Shui sehr lebendig. Auch in Europa finden wir immer wieder geographische Hinweise auf die Verbindung von Drachenwesen und Landschaftsmerkmalen wie Drachental, Drachenstein oder Drachenloch. Es könnten Stellen sein, an denen die Erdenergie von besonderer Kraft ist und an der Oberfläche sichtbar wird. Die Form zerklüfteter Berge, die Art der Schwingung eines Flusslaufes, Seen, die wie Augen in der Landschaft liegen – all dies mag für die Menschen Kennzeichen der Gegenwart der in den Drachen personifizierten Erdkräfte gewesen sein. Die Sagen, die wir noch heute über diese Orte hören können, erinnern vielleicht an diese uralte Vorstellung.

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CAW

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