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Samhain und Halloween
Das irische Samhain – gesprochen etwa so-win mit einem weichen „w“ wie im Englischen -, gehört zu den wohl ursprünglich vier Festen, die den Wechsel der Jahreszeiten im keltischen Kalender anzeigen sollen, zumindest wenn es nach den neopaganen, also neuheidnischen, Traditionen geht. Es fällt traditionell auf die Nacht zum 1. November, beginnt also schon am Vorabend, also mit dem Sonnenuntergang am 31. Oktober. Mit Samhain beginnt die dunkle Jahreshälfte, während die Zeit der Ernte nun endgültig vorbei ist.
Die dunkle Jahreshälfte beginnt
Samhain liegt in etwa auf der Hälfte des Weges zwischen der Herbsttagundnachtgleiche um den 23. September und der Wintersonnenwende um den 21. Dezember. Aber eben nicht genau in der Mitte, und das wirft Fragen auf. Denn es überlappt sich mit dem christlichen Fest Allerheiligen, das ebenfalls in dieser Nacht begangen wird. In neuheidnischen Kreisen wird deshalb die Behauptung aufgestellt, dass ein ursprünglich bewegliches, heidnisches Fest, das an den Mondphasen ausgerichtet gewesen sein soll, von Christen usurpiert und mit christlichen Inhalt übertüncht worden sei. Da aber die ursprünglichen Inhalte des Festes nicht totzukriegen gewesen seien, hätte sich daraus ein neues Fest entwickelt, das eine Verballhornung sowohl des alten Samhain und des christlichen Allerheiligen wäre: Halloween.
Von Allerheiligen zu Halloween
Tatsächlich leitet sich Halloween aus dem englischen All Hallows’ Eve ab, die Bezeichnung für den Abend vor Allerheiligen. Dieses katholische Hochfest hat aber mit dem vor allen Dingen aus Amerika bekannten Treiben nichts zu tun. Weder sind Kürbisse noch Kostümierungen in irgendeinem Bezug zu diesem Fest zu sehen. Vielmehr sind solche Heischebräuche („Süßes, sonst gibt’s Saures“) vermischt mit der Verkleidung als wandelnde Tote vielmehr eine Erinnerung an überlieferte vorchristliche Vorstellungen, wie sie für Samhain zutreffen dürften. Dies war wohl eher ein Fest für die Ahnen, aus denen dann, im Wandel des Verständnisses von dem, was uns nach dem Tod erwartet, Geister und Gespenster wurden. Diese wurden ursprünglich in dieser Zeit geehrt. Das Fest, das nach Allerheiligen folgt, hat auch im christlichen Kontext noch heute diese Funktion: Allerseelen am 2. November. Es ist der Tag, an dem man die verstorbenen Verwandten auf den Friedhöfen besucht und dort ein Licht für sie entzündet.
Ein Gedenktag für alle Heiligen
Historisch belegbar ist, dass die Kirche im 9. Jahrhundert das Fest Allerheiligen auf den 1. November legte, allerdings als ein Fest, das ausschließlich dem Gedenken an alle Heiligen, den bekannten und den unbekannten, zugeeignet ist. Ursprünglich wurde es am ersten Sonntag nach Pfingsten gefeiert. Das ist in den orthodoxen Kirchen des Ostens bis zum heutigen Tage so. Nun wird nicht ohne Grund ein so bedeutsamer Feiertag einfach verlegt. Es kann also gut sein, dass die Kirche einen anderen, heidnischen Feiertag dadurch entschwänden wollte. Das aber wiederum deutet darauf hin, dass der 1. November und vor allem die Nacht auf dieses Datum eine eminente Bedeutung in der Bevölkerung hatte. Und das spricht wiederum gegen die Annahme, es habe sich ursprünglich um einen beweglichen Feiertag gehandelt. (Bewegliche Feiertage kennt die Kirche im übrigen auch, zum Beispiel Ostern).
Samhain – ein altes keltisches Mondfest?
Welche historischen Spuren dieses Festes gibt es? Schriftliche Quellen sind offen gestanden spärlich. Keine deutet zweifelsfrei an, wie die alten Iren oder gar die Kelten dieses Fest berechnet haben. Samhain an den Mondphasen festzumachen, wie es in manchen neopaganen Kreisen propagiert wird, ist mindestens ebenso spekulativ wie fantasievoll. Auch hier ist man sich nicht einig, auch wenn jede*r natürlich für sich die Wahrheit gepachtet hat. Ist Samhain nun der 11. Neumond des Jahres (und ab wann gezählt?) oder der zweite Neumond nach der Herbsttagundnachtgleiche? Über solche Detailfragen wird trefflich gestritten, wie dereinst die Theologen über die richtige Formel zur Berechnung des Ostertermins. Religionen kennen eben nur eine Wahrheit.
Aber hatten unsere Vorfahren überhaupt so genaue Regeln? Können wir ihren Glauben mit unseren Vorstellungen von religiöser Wahrheit verbinden? Ich bezweifle das. Vielmehr ist die Idee von Samhain eine, die, wie ich glaube, fernab religiöser Rechthaberei anzusiedeln ist.
Das Bewusstsein der Sterblichkeit
Es geht um eine Zeit, in der das Leben in der Natur sich in seiner Vergänglichkeit zeigt und uns als Menschen an unsere eigene Sterblichkeit erinnert. Dies ist eine Grunderfahrung der Menschen in unseren Breiten. Die Nächte sind nun deutlich länger als die Tage. Dunkelheit wird zum Thema, und all die Ängste, die damit verbunden sind. Aber auch die Idee des Rückzugs wird immer gegenwärtiger. Wir ziehen uns in unsere Häuser zurück, weil es draußen zunehmend kälter wird. Wir werden nachdenklicher. Das, was sich vor dem Licht der Sonne im Schatten verstecken konnte, taucht nur auf. In einer Zeit, in der mit dem Tod das Leben nicht zu Ende war, sondern nur in eine neue Form der Existenz überging, rückte vielleicht die Gegenwart des Jenseitigen jetzt besonders ins Bewusstsein. In der keltischen Tradition ist dementsprechend nicht von einem Jenseits die Rede, sondern von einer Anderswelt, die parallel zu unserer Welt im Hier und Jetzt existiert. Zu bestimmten Zeiten ist die Grenze zwischen dieser und der anderen Welt durchlässiger als sonst. Menschen können in die Anderswelt gelangen, aber auch die Geschöpfe der Anderswelt kommen zu uns. In den Märchen und Mythen Irlands und anderer keltischer Länder sind das die aes sídhe, was wir im Deutschen nur mit dem eher unglücklichen Wort Feen oder Elfen übersetzen können. Doch in Wirklichkeit ist damit eine ganz eigene Rasse an vielfältigen Wesen gemeint, die nichts mit den süßlichen Vorstellungen zu tun hat, die bei den deutschen Wörtern mitschwingt.
Samhain – ein jungsteinzeitliches Sonnenfest
Wann aber ist denn nun der richtigen Augenblick, um Samhain zu feiern? Ich möchte eine religiöse Debatte darüber vermeiden. Am Ende wird jede*r selbst den stimmigen Zeitpunkt für sich definieren müssen. Und da es kein Möglichkeit gibt, hier ein einwandfreies historisches Fundament für eine Wahrheit zu erstellen, bleibt es fast Geschmacksache.
Ich möchte jedoch noch eine Lanze für den 1. November brechen, denn es ist augenfällig, dass es zahlreiche vorgeschichtliche Monumente gibt, die genau auf den Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang an diesem Tag ausgerichtet sind. Das funktioniert natürlich nur, wenn es sich eben um keinen beweglichen Feiertag handelt. Zu erwähnen sind jungsteinzeitliche Ganggräber in Irland, allen voran der mound of hostages auf dem Hügel von Tara oder Cairn L auf dem Slieve na Calliagh. Aber auch in Deutschland gibt es ein prominentes Beispiel: die Kreisgrabenanlage bei Pömmelte an der Elbe, Zeitstellung: Ende des 3. Jahrtausends v.Chr. Einer der Zugänge ist auf den Sonnenaufgang zu Samhain ausgerichtet. Dies belegt in meinen Augen, dass diese Tage sehr wohl an den Sonnenkalender gebunden waren und keineswegs christliche Erfindung sind, sondern den Menschen schon weit vor den Kelten etwas bedeuteten.
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