Der Gottesacker an der Salvatorkirche

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Der Gottesacker an der Salvatorkirche

Der Gottesacker an der Salvatorkirche

Gegenüber dem Literaturhaus, in der Nähe der letzten oberirdischen Überreste der ehemaligen Stadtmauer, befindet sich eine besondere Kirche Münchens: Die Salvatorkirche. Heute ist sie die Kirche der griechisch-orthodoxen Gemeinde in München. Sie war 1494 jedoch zunächst als Friedhofskirche eingeweiht worden als Erweiterung des überfüllten Gottesacker der Frauenkirche.

Nach der Stadterweiterung unter Ludwig des Bayern wuchs die Einwohnerzahl der Stadt rapide. Die ersten Friedhöfe der Stadt, um den Alten Peter und die Frauenkirche herum, boten bald nicht mehr genug Platz für die wachsende Anzahl Toter. So wurde ein weiterer Friedhof nahe, doch noch innerhalb der Stadtmauern, errichtet. Zu diesem Friedhof wurde die Salvatorkirche, die „Erlöser“-kirche erbaut, um in ihr Beerdigungszeremonien abhalten zu können. Die ehemalige Friedhofskirche offenbart ihre ursprüngliche Bestimmung an den ausladenden Seitenportalen, durch das die Toten in die Kirche und wieder hinaus auf den Friedhof gebracht wurden. Das eigentliche Eingangsportal fällt dagegen ungewöhnlich klein aus.

Mehr Platz für die Toten

Erst im Mittelalter, etwa im 11. Jahrhundert, kam der Wunsch der Menschen auf, sich in der Nähe einer Kirche beerdigen zu lassen. Man wollte möglichst nahe des Altars beerdigt werden, denn man glaubte, dann umso schneller ins Himmelreich gelangen, wenn dereinst die Posaunen des Jüngsten Gerichts erschallen. Außerdem galt die Fläche um die Kirche bis zu einer Entfernung von dreißig Metern als geweiht – an einem solchen heiligen Ort wünschte man sich seine letzte Ruhestätte. Noch in der Antike galt der Tod als unrein, daher wollte man die Toten so weit wie möglich von den Lebenden entfernt beerdigt wissen.

Im Spätmittelalter, als die Städte anwuchsen, wurde für die Friedhöfe wieder außerhalb der Städte Platz gefunden. Dort errichtete man aber sogleich Kirchen oder Kapellen dazu, damit die Nähe der Toten zur Kirche als geweihter Ort wieder gewährleistet war. Auch Pestfriedhöfe wurden aus hygienischen Gründen außerhalb der Städte verlegt, auf weit entfernte Felder.

Schwelle zwischen Diesseits und Jenseits

Auf diesen „verbannten“ Friedhöfen wurden auch „unehrliche Begräbnisse“ abgehalten, also für die Menschen, die von christlichen Beerdigungen ausgeschlossen waren. Dazu gehörten Selbstmörder, Hingerichtete, Andersgläubige oder Ehebrecher.

Zu Zeiten der Reformation wandelte sich dann die Bedeutung der Friedhöfe als Stätte für die Toten hin zu einem Ort des Trostes für die Hinterbliebenen. Das äußere Erscheinungsbild des Friedhofs, dem dann ab dem 19. Jahrhundert immer mehr Bedeutung zu kam, wurde erstmals wichtig. Heute schaffen landschaftliche Gesichtspunkte einen Ort der Schwelle zwischen Diesseits und Jenseits für die Toten und die Trauernden. Und das sowohl außerhalb, durch die große Einwohnerzahl notwendigerweise, durch die gesteigerten hygienischen Maßnahmen auch innerhalb der Städte.

Wenn Tote wiederkehren

Hätten wir an einer Begräbnisfeier, wie sie in der Münchner Salvatorkirche abgehalten wurden, beigewohnt, hätten wir aus unserer heutigen Sicht Eigenartiges beobachten können: Bestatter trugen die Toten immer mit den Füßen zuerst in die Kirche und stopften den Leichen ein Tuch in den Mund. Wir hätten beobachten können, wie Friedhofsbesucher sich ihre Taschen mit Friedhofserde füllten oder Moos von den Grabsteinen zupften. Was hatte es damit auf sich?

Man stellte sich vor, dass der Geist des Verstorbenen, noch in Gestalt seines irdischen Körpers, nach der Beerdigungszeremonie direkt aufsteht und ins Jenseits geht. Daher sollten seine Füße nach vorne, Richtung Osten, zeigen. Dorthin, wo die Sonne aufgeht, ins Licht sollten sie gehen. Gleichzeitig hatten die Menschen damals eine Heidenangst vor Toten, denn bis sie nicht unter geweihter Erde waren, vermochten Tote wiederkehren – und sogar dann war man nicht sicher. Trug man den Verstorbenen von seiner Wohnung zum Friedhof, sicherte man sich durch das Tragen mit den Füßen voran ab, dass der Verstorbene nicht wieder zurückfinden könne, denn er würde den Weg, den man mit ihm ging, nicht mehr nachvollziehen können.

Schmatzende Geräusche und heilende Erde

Da vom Friedhof her undefinierbare, schmatzähnliche Geräusche vernommen wurden, dachte man, die Toten würden den Vorbeigehenden Energie aussaugen und sich damit als Untoter, als „Nachzehrer“ aufrecht erhalten. Daher stopfte man den Toten etwas in den Mund, damit sie den Lebenden keine Lebensenergie aussaugen konnten. In Wahrheit waren es Fäulnisgase, die die Toten aufschwemmten und aufplatzen ließen, die diese unheimlichen Geräusche verursachten.

Friedhofserde galt, in den Kaffee gerührt, als Heilmittel gegen Heimweh oder sollte dafür sorgen, dass ein Soldat heil aus dem Krieg zurückkehrt. Moos, das auf Friedhöfen wächst, sprach man eine wundstillende Wirkung zu.

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CAW

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