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Der Jakobsplatz – ein Ort mit vielen Gesichtern
Auf unserem Weg durch den Münchner Tierkreis bewegen wir uns weiter durch das alte Münchner Angerviertel, das seinen Namen von den fruchtbaren Wiesen erhielt, die sich einst im Südosten Münchens bis zur Isar hin erstreckten. Wir verlassen den Viktualienmarkt in südlicher Richtung und wenden uns dem zweiten Hauptplatz des Viertels zu, dem Jakobsplatz.
Auf dem Jakobsweg
Der heutige Jakobsplatz hat im Laufe der Jahrhunderte viele Wandlungen über sich ergehen lassen. Zuletzt wurde aus einem unansehnlichen Busparkplatz eine urbane Freifläche, auf der das neu errichtete Jüdische Zentrum mit der Synagoge Ohel Jakob (Zelt Jakobs) zu finden ist. Schon früher hatte dieser Platz zwei Gesichter: ein sakrales durch das Kloster St. Jakob am Anger auf der Südseite und ein weltliches durch das Zeughaus, dem heutigen Stadtmuseum, auf der Nordseite. Dazwischen lag ein Marktplatz.
Das Kloster geht in seinen Ursprüngen auf eine Jakobskapelle des 13. Jahrhundert zurück, als sich hier Franziskanermönche niederließen, um Pilger zu betreuen. Als die Franziskaner in die Nähe des Alten Hofs umzogen, etwa dorthin, wo sich heute das Nationaltheater befindet, übernahmen die Klarissen das Kloster. Nach der Säkularisation dauerte es eine Weile, bis wieder Gebet und Andacht in die Gebäude einzogen. 1843 war es mit Maria Theresia Gerhardinger und ihren Armen Schulschwestern dann soweit – sie führen das Kloster bis heute. Nach der Zerstörung des barocken Gebäudes im Krieg wurde St. Jakob am Anger im Stil der 50er Jahre komplett aus schlichtem Backstein wieder aufgebaut.
Der Mann mit der Muschel
Wenn ein christlicher Heiliger das Prinzip der sich immerzu auf Achse befindenden Zwillinge verkörpert, dann mit Sicherheit Jakob, der Heilige der Pilger. Jakobus der Ältere war einer der zwölf Apostel. Nach seinem Martyrium wurde sein Leichnam nach Galizien geschafft worden, wo er in einem Wald begraben wurde. Im 9. Jahrhundert wurde das Grab auf wundersame Weise entdeckt und es entstand der wohl berühmteste Wallfahrtsort des Abendlandes: Santiago de Compostela.
Schon seit dem Mittelalter ist das Kennzeichen der Pilger, die sich auf den Jakobsweg machen, um Richtung Santiago de Compostela zu wandern, die Jakobsmuschel. In der Regel trägt man sie am Hut, manchmal auch am Gürtel. Früher benutzten die Pilger eine solche Muschel, um Wasser zu schöpfen. Ein Brauch unter den Pilgern war es, bis ans Meer zu pilgern, um von dort eine echte Jakobsmuschel als Pilgerzeichen mitzubringen. Die Muschel war jedoch mehr als nur ein Souvenir: Nach der Rückkehr in die Heimat sicherte sie ihrem Träger Ansehen, und mancher ließ sich die Muschel sogar ins Grab legen.
Die armen Schulschwestern
Wissensdurst und Neugier sind weitere Attribute der Zwillinge, und so passt es hervorragend, dass wir mit dem Angerkloster nicht nur eine alte Pilgerstätte vor uns haben, sondern auch den Sitz des einzigen weiblichen katholischen Schulordens bayerischen Ursprungs. Die “Armen Schulschwestern”, so nennt sich der Orden, weil Schule und Bildung ihr Hauptauftrag ist. Schon im 19. Jahrhundert entwickelte sich das Kloster zur musterhaften Bildungsstätte für die weibliche Jugend, deren guter Ruf bis weit über die Grenzen Bayerns hinaus glänzte. Es gab erste Vorläufer von Kindergärten und eine Volksschule, ein Novum in jener Zeit. Noch etwas passt zum beweglichen und erfindungsreichen Geist der Zwillinge: das Angerkloster war die erste Schule Münchens, die Turnen als Unterrichtsfach eingeführt hatte, und als erste über elektrisches Licht verfügte. So erfolgreich waren die Arme Schulschwestern, dass man sie sogar bis nach Nordamerika exportierte, wo sie im Urwald von Pennsylvania eine deutsche katholische Kolonie gründeten.
Gott der geraden und krummen Wege
Die Zwillinge sind das Tierkreiszeichen, das vor allen anderen mit Beweglichkeit, und zwar sowohl in körperlicher als auch in geistiger Hinsicht, in Verbindung gebracht wird. So wundert es nicht, dass sich vor allen Dingen der Gott Merkur, der Bote der Götter und Vermittler zwischen Himmel und Erde, wohl im Zeichen der Zwillinge fühlt. Die Römer verehrten Merkur als den Gott der Wege, und zwar der geraden wie auch der krummen. So kommt es, dass ihm sowohl Kaufleute als auch Diebe Opfer brachten.
Auf dem Jakobsplatz kommt dies dadurch zum Ausdruck, dass auf diesem Fleck seit dem 14. Jahrhundert bis Ende des 18. Jahrhundert eine Dult stattfand. Die “Jakobi-Dult” war ein Höhepunkt des Stadtkalenders. Als Dult bezeichnete man das, was wir heute Messe nennen würden. An drei Tagen im Jahr, genauer gesagt rund um Jakobi (dem 25. Juli) kam jede Menge “fremdes Volk” zusammen, um vor allem Waren aus fernen Ländern zu bestaunen und natürlich um Handel zu treiben. Da gab es Tücher, Gewänder und Gewürze. Ein gesellschaftliches Ereignis höchsten Ranges, das jedoch im Laufe der Jahrhunderte immer mehr an Bedeutung verlor – und schließlich im 19. Jahrhundert ganz aufgegeben wurde.
Merkur treffen wir übrigens wieder, wenn wir das Angerviertel verlassen und über die Sendlinger Straße ins südwestliche Hackenviertel wechseln: sein berühmter Botenstab, der geflügelte und von zwei sich windenden Schlangen begleitete Caduceus prangt neben mehreren Merkurköpfen an der Fassade über dem Eingang eines Hauses gleich gegenüber der Asamkirche …
Die Kraft der Zwillinge spüren
Wer sich mit der Beweglichkeit und dem Wissensdurst der Zwillinge verbinden möchte, der sollte dem Jakobsplatz einen Besuch abstatten. Zu entdecken sind die Zwillinge nicht nur in den Zwillingsputti an den Decken der Jakobskirche, sondern auch im Stadtmuseum, das das ganze Wissen um unsere schöne Stadt beherbergt. Darüber hinaus kann man sich im Stadtcafé niederlassen, und bei einem Cappuccino dem Treiben auf dem Platz zuschauen – oder sich folgende Fragen zur Reflexion zum Prinzip der Zwillinge stellen:
- Welche interessanten Neuigkeiten habe ich in jüngster Zeit erfahren, die mein Leben nachhaltig beeinflussen werden? Welche Informationen haben mir Freude bereitet?
- Wie möchte ich mit dem Thema Wissen umgehen? Wie kann ich mein Wissen erweitern? Auf welche Pilgerfahrt möchte ich mich begeben – im wahrsten Sinne des Wortes oder auch im übertragenen Sinne?
- Was hat in letzter Zeit zu meiner geistigen und körperlichen Beweglichkeit beigetragen? Was davon möchte ich künftig noch verstärken?
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