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Der heilige Stephan und die Wilde Jagd
Leben und Sterben, Geburt und Tod – beides liegt eng beieinander. Vielleicht war dies der Grund, warum man ausgerechnet den zweiten Weihnachtstag dem ersten Märtyrer der Christenheit widmete – dem heiligen Stephan.
Der erste Märtyrer
Stephanus ist der erste, von dem überliefert wird, dass er wegen seines Bekenntnisses zu Jesus Christus getötet wurde. Damit gilt er als der erste Märtyrer oder auch Erzmärtyrer. Die Apostelgeschichte kennt ihn als tatkräftigen und wortgewandten Vertreter seiner Sache. Die in einigen Gegenden als Weihnachtsgebäck bekannten „Pflastersteine“, eine Pfefferkuchenvariante, sollen an seinen Tod durch Steinigung erinnern.
Der Heilige der Pferde
Doch der „Steffl“ und sein Tag am 26.12. sind für etwas ganz anderes bekannt: Es ist der Tag der Pferde, und Stephan ist ihr Heiliger. Stephan ist sogar der älteste Pferdepatron, neben Leonhard, Georg oder auch Martin. Doch für dieses Patronat gibt es aus der Vita des Heiligen eigentlich keinen Anlass. Neben den Umritten um, manchmal auch durch Kirchen, ließ man Pferde auch zur Ader. Möglicherweise ist dies eine Erinnerung an alte vorchristliche Pferdeopfer, wie sie für die Germanen und Kelten belegt sind, bei denen Pferde heilige Tiere waren. Man kann daher getrost davon ausgehen, dass sich hier ein älteres Fest einer heidnischen Pferdegottheit in Form der heute stattfindenden Umritte und Pferdesegnungen in die Gegenwart rettete.
Opfergaben, Umritte und Weihungen
Alles, was mit Pferden zu tun hat, steht heute im Mittelpunkt. Auch an der Stephanskirche am Alten Südlichen Friedhof in München fanden früher Umritte zu Ehren des Heiligen statt. Kutscher, Fuhrleute, Gendarmen – kurz: alle Berittenen umrundeten zu Pferd die Kirche. Dies ist belegt seit dem 18. Jahrhundert, davor war die Kirche eine Salvatorkirche, aber wahrscheinlich ist dieser Brauch wesentlich älter. Die Umritte wurden 1876 schließlich verboten, finden aber noch in Feldmoching und Oberhaching statt.
Am Stephanitag wechselten überdies Pferdeknechte, Stallburschen und Kutscher, die von ihrer Herrschaft nicht behalten wurden, ihre Arbeitgeber. Hafer wird geweiht und Wasser, das dann als Stephaniwasser Pferden kredenzt wird. Mancherorts wurde auch Brot, das in diesem Wasser getränkt wird, verfüttert. Das Stephanswasser soll ganz allgemein gegen Tod und Teufel schützen und Hexen fern halten.
Minnetrunk
„Windstill muss St. Stephan sein, / soll der Nächste Wein gedeih’n.“ So will es die Bauernregel. Auch hier klingt eine ältere, vermutlich vorchristliche Schicht durch, denn am Gedenktag des Stephans ging es auch um Wein, der nun geweiht wurde. Dies dürfte wiederum Anlass für so manches fröhliche Gelage gewesen sein. Auch das Minnetrinken gehörte zu den Stephanibräuchen. Am Stephanitag kommen die Burschen ins Haus. Dort bekommen sie von den Mädchen ein Stamperl mit Schnaps gereicht. Möglicherweise gehen diese Trinkbräuche auch auf germanische Trankopfer zurück. Dieses Minnetrinken am Stephanitag kann bis auf die Zeit Karls des Großen zurückverfolgt werden. Die christliche Interpretation: Es wird Wein in einen Kelch gegossen, in dem sich ein Stein befand, der an den Märtyrertod des Heiligen erinnern soll. Schon die Berührung bringt Segen. Daraus sind später regelrechte Gelage geworden.
Die wilde Jagd
In den Raunächten jagen wahlweise Gott Wotan, aber auch Frau Holle selbst, mit dem wilden oder wütenden Heer durch die Lüfte, natürlich auf Pferden. Hinter ihnen eine Heerschar von Geistern. Die Begegnung mit der wilden Jagd war gefährlich. Wurde man von ihr ergriffen, wirbelte einen die dahin hetzende Meute hinauf und ließ einen dann auf die Erde krachen. Daher sollte man sich tunlichst auf den Erdboden legen, ganz flach, und hoffen, dass das wütende Heer über einen hinweg rauscht.
Der Schimmelreiter
Ein Nachfahre von Wotan dürfte der gespenstische Schimmelreiter sein oder auch der düstere Erlkönig, der allerdings auf einem Rappen reitet. In den Raunächten wurden noch bis in Hochmittelalter auf Bergeshöhen Pferdeopfer dargebracht. Das Blut dieser edlen Tiere soll die Erde wieder fruchtbar machen. So steht das Pferd symbolisch für die wilde Urkraft des Lebens.
Als Clubmitglied kannst du hier diesen Artikel als Podcast hören. Außerdem zeigen wir dir auf einer Karte, wo du die Stephanskirche in München findest.
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