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Das Geheimnis von Pfingsten
Der Flammenkranz in der Frauenkirche
In der Münchner Frauenkirche, dort wo sich die Vierung der Kathedrale befindet, gleich beim monumentalen Kruzifix, entdeckt der aufmerksame Beobachter eine strahlende Sonne über seinem Haupt. Wenn er genauer hinsieht, erkennt er, dass es sich um eine verschlossene Öffnung handelt. Aber was hat es damit auf sich? Zunächst einmal: Es handelt sich nicht um eine Sonne, sondern um einen einen Flammenkranz. Und dieser wiederum verweist auf das biblische Geschehen rund um das Pfingstfest …
Der Ursprung des Pfingstfestes
Das Wort „Pfingsten“ leitet sich ab von dem ursprünglich griechischen Wort pentecostes, das so viel wie „der fünfzigste Tag“ bedeutet, denn Pfingsten fällt auf den fünfzigsten Tag nach Ostern. Gefeiert wird die Aussendung des Heiligen Geistes oder auch das Ausgießen des Heiligen Geistes.
In der Apostelgeschichte lesen wir, wie der Heilige Geist auf die Apostel niederging, als sie sich zum Schawuot-Fest in Jerusalem versammelten. Dieses jüdische Fest, das fünfzig Tage nach dem Pessachfest gefeiert wird, erinnert die Gläubigen an den erneuten Empfang der Zehn Gebote am Berg Sinai. Denn als Moses das erste Mal mit den Gesetzestafeln zu seinem Volk vom Berg herabgestiegen war, hatte er sie beim Tanz um das goldene Kalb erwischt – und vor Wut die Steimtafeln zerschmettert. Er musste noch einmal auf den Berg steigen, um ein Ersatzexemplar zu erbitten. Zugleich ist das Schawuot ein Erntedankfest, denn die erste Ernte des Jahres kann eingeholt werden.
Wie schon sich Ostern auf Pessach bezieht, so nimmt das christliche Pfingsten den Gedanken des Schawout auf. Dabei wird es im Sinn der neuen Lehre übersetzt: mit der Niederkunft des Heiligen Geistes gibt Christus seiner neu gegründeten Kirche die inneren Gesetze. Zugleich sind die Vorstellungen in Bezug auf Fruchtbarkeit, Übergang von Frühling in Sommer, Ernte bis heute in den Bräuchen rund um Pfingsten gegenwärtig. Wir schon bei anderen auf den ersten Blick christlichen Festen „mogelt“ sich altes vorchristliches Gedankengut in die Traditionen.
Der Grüne Mann
Neben Reiterspielen und Wettkämpfen gibt es eine Gestalt, die in vielen Überlieferungen zur Pfingstzeit auftaucht, die je nach Region unterschiedliche Namen trägt. Mal ist die Rede vom „grünen“ oder „bunten Jungen“, vom „Laubmännchen“, vom „wilden Mann“, „Maimann“ oder „Graskönig“, mancherorts spricht man von einem „grünen Wasservogel“. Dann wieder heißt er „Pfingstbuz“, „Pfingstquack“, „Pfingstlümmel“ oder einfach „Pfingstl“.
In allen Überlieferungen wird ein junger Mann auserwählt und dazu bestimmt, diese Rolle einzunehmen. Er wird mit Blumen bekränzt, mit grünen Girlanden umwickelt, in frisch geschnittene Zweige gehüllt, dass nur noch die Füße rausschauen, oder in ein Mooskleid gesteckt. In einigen Orten wird er mit grünen Flicken behangen und zusätzlich mit Schellen geschmückt.
Oft folgt ein feierlicher Umzug, aber auch Kämpfe gegen den Grünen, der sich wehren muss und mit dem gerauft wird, schließlich gefesselt wird und auf einen Triumphwagen durch den Ort gefahren wird. Dieser Kampf und schließlich Sieg über den wilden Mann wird ausführlich zelebriert. Mancherorts reißt man dem Grünen bei wilden Verfolgungsjagden das oft prachtvolle Gewand stückweise vom Leib und wirft ihn dann in einen Teich. Manche wollen in diesem rabiaten Brauch den Sieg über die Naturdämonen sehen.
Mehr zum Thema „Der Grüne Mann“ erfährst du in diesem Geheimnistalk:
https://www.stadtspuerer.de/geheimnistalk-das-raetsel-des-gruenen-mannes/
Über den Wilden Mann unterhielten sich Christopher und Veronika auch in diesem Stadtgeheimnis live:
https://www.stadtspuerer.de/stadtgeheimnis-live-der-wundersame-onuphrius-am-marienplatz/
Fröhliches Treiben und festliche Gelage
Dass diese Bräuche wenig mit der biblischen Geschichte zu tun haben, liegt auf der Hand. Auch die Pfingstgelage, die vielerorts abgehalten werden, nehmen sich so gar nicht christlich aus. Es wird geschmaust und Bier in Strömen genossen, sobald der Gottesdienst am Pfingstsonntag zu Ende ist. Die Familien, aber auch ganze Dörfer kommen zusammen und lassen es sich gut gehen. Gehen sie auf alte Trinkopfer zurück aus heidnischer Zeit?
Daneben gibt es auch einige magische Handlungen, die vor allem Pfingstsonntag begangen werden. Auf so genannten Pfingstritten werden Fluren und Felder auf Pferden umrundet, um sie zu weihen und die keimende Saat zu segnen. Auch Wettersegen wurde gespendet.
Zu Ehren der Fruchtbarkeit
Wasser soll in den Pfingsttagen eine ganz besondere Kraft entfalten, ähnlich wie zu Ostern. Man schmückt Brunnen und Quellen und badet sich in Bächen. Wer sich im frühmorgendlichen Tau wälzt, soll Krankheiten loswerden und vor jeglicher Verhexung befreit sein. Stellvertretend wurde, wie weiter oben bereits erzählt, der „Pfingstl“ in den Dorfteich oder Dorfbrunnen getaucht. Damit offenbart sich eine weitere Komponente des wilden Mannes: Er ist Sinnbild der wiedererwachenden Natur, sie im Wasser des Lebens neu geboren wird. Bevor er in den Brunnen getaucht wird, peitscht der Grüne das Wasser auf die Umstehenden. So verteilt er die Fruchtbarkeit in der Gemeinschaft.
Aus so manchem Umritt wird ein Wettritt, bei dem der Sieger zum König gekürt wird. Dann wird er entsprechend geschmückt ins Dorf zurückgeführt. Andere Wettspiele sehen vor, dass ein Holzring, der zwischen zwei Bäumen aufgespannt wird, mit einer Lanze durchstochen werden muss. Ringstechen, Kranzstechen – diese Riten sollen nicht nur die Geschicklichkeit der Reiter dokumentieren. Sie haben augenscheinlich auch eine sexuelle Komponente. Damit sind sie wieder ein Hinweis auf Fruchtbarkeitsvorstellungen, die unter der Oberfläche des Pfingstfestes fröhliche Urstände feiern.
Das Pfingstfest fällt in die Zeit, in der das Vieh wieder auf die Weide geführt wird. Nicht nur Pferde, sondern auch Rinder. Der berühmte Pfingstochse, geschmückt mit einer oft pompösen Blumenkrone führt nun die Herde hinauf die Almen.
Flammen fallen vom Himmel
Waren solche eher an alten Fruchtbarkeitskulten orientierte Bräuche beim Volk sehr beliebt (und sind es zum Teil heute noch), musste sich die Kirche auch etwas einfallen lassen, um diesem hohen Fest eine gewisse Mystik zu verleihen. Und damit sind wir auch wieder bei dem mysteriösen Loch in der Decke der Münchner Frauenkirche.
In vielen Kirchen gibt es das so genannte „Pfingstloch“. Dabei handelt es sich um eine Öffnung im Gewölbe, aus der man Blätter roter Rosen als Sinnbild der Flammenzungen aus der Apostelgeschichte in den Kirchenraum sinken ließ. Noch dramatischer wurde dies, wenn man brennendes Werg hinabwarf, das von den Männern dann mit ihren Hüten aufgefangen werden sollte. Wer eine solche ergatterte, der konnte einen gegen Unwetter wirksamen Zauber mit nach Hause nehmen. Es gibt auch Berichte, dass man mancherorts tatsächlich Tauben über das Pfingst- oder Heiliggeistloch flattern ließ. Diese wurden andernorts durch eine hölzerne Taube ersetzt. Diese wurde an geeigneter Stelle im Gottesdienst über den Gläubigen hinabgelassen. Dann schwang man sie an einer Schnur und ließ sie im Weihrauchnebel ihre Kreise über den Köpfen ziehen.
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