Das Geheimnis der Diana auf dem Hofgartentempel

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Das Geheimnis der Diana auf dem Hofgartentempel

Sie hat eine wunderbare Aussicht – die Bronzefigur auf dem Tempel mitten im Hofgarten nördliche der Residenz. Eine Gestalt, die sich bei näherer Betrachtung als mit einem Helm bewehrte Frau entpuppt, spärlich bekleidet, dafür verziert mit Attributen wie einem Hirschfell und einem Kranz aus Getreideähren. In der Hand hält sie eine Kugel, von einem Kreuz überragt.

Hommage an die bayerische Erde

Wer ist diese Frau? Was macht sie dort oben auf diesem Tempel? Und was bedeuten ihre Attribute?
Bei den Münchnern ist der Tempel auch als der „Diana-Tempel“ bekannt. Da liegt es nahe, die gewappnete Frau mit der Göttin der Jagd gleich zu setzen. Doch der kunsthistorisch versierte Betrachter winkt ab: nicht eine Diana sei dort zu sehen, sondern eine Tellus Bavaria – die bayerische Erde. Eine Allegorie auf die Schönheit, den Reichtum und die Macht Bayerns also. So steht es geschrieben und so wollte es Maximilian I., der erste Kurfürst Bayerns, der diese Figur auf den Tempel hieven ließ.

Doch wie um alles in der Welt hat sich der Mythos eingeschlichen, es handele sich um die Schwester des Sonnengottes Apoll? Die Antwort ist so einfach wie vielschichtig. Da ist zunächst das Hirschfell mit dem geweihgekrönten Haupt, das ihr leger über den rechten Arm liegt. Diana ist die Herrin des Waldes und damit die Herrin der wilden Tiere. Die Darstellung als selbstbewusste junge Frau passt ebenso zur Göttin der Wildnis. Der Helm freilich wäre eher ein Attribut der Minerva und der Getreidekranz stünde einer Ceres gut, während Salzfass und Wasserkrug zu ihren Füßen zu keiner der Göttinnen passt. Diese vier Symbole werden üblicherweise als Allegorien auf die wildreichen Wälder, fruchtbaren Böden, salzreichen Berge und fischreichen Gewässer gedeutet – Bayern eben.

Tellus oder Diana?

Doch muss man wissen: Nicht von Anfang an war diese Figur als Tellus Bavarica gedacht. Der Niederländer Hubert Gerhard, dem genialen Schöpfer so mancher bayerischer Bronzen Anfang des 17. Jahrhunderts, dem die Urheberschaft zugeschrieben wird, hatte aller Wahrscheinlichkeit nacht wirklich eher eine Jagd- und Fruchtbarkeitsgöttin im Sinn. In einer Zeichnung aus dem Jahre 1611 sehen wir unsere Tellus als Brunnenfigur in einem heute verschwundenen Garten im Süden der Residenz, umgeben von Hunden und Bären, typischen Begleiterinnen der Diana. Wilhelm der V., der Vater Maximilians, hatte diese Brunnenanlage in Auftrag gegeben. Allerdings ist nicht ganz klar, wann Maximilian die Figur auf den Hofgartentempel setzen ließ. Sicher ist, dass der Kurfürst die Diana seinen Vorstellungen anpasste, ihr den Kurfürstenapfel anschrauben ließ und den Getreidekranz von der rechten in die linke Hand umsortierte. Die Versetzung erst machte aus der Brunnengöttin eine Allegorie auf Bayern – ein Symbol der Macht.

Doch irgendetwas hat die ursprüngliche Bedeutung der Figur bis ins heutige Bewusstsein der Münchner hinüber gerettet. So kommt es, dass der Hofgartentempel zum Sitz der alten Göttin Diana wurde – und immer noch ihren Namen trägt.

Das Silber der Alchemie

Aber da ist noch eine andere Ebene der Deutung, eine, die sich dem rein kunsthistorisch orientierten Auge nicht offenbart. Sie hat etwas mit der zweiten Bedeutung der Göttin Diana zu tun – und dem tieferen Sinn der vier Attribute, die sie umgeben. Diana ist nicht nur die Göttin der Jagd, sondern sie ist auch die Göttin des Mondes, so wie ihr Bruder Apoll auch der Gott der Sonne ist. Die Renaissance ist eine Zeit, in der nicht nur die Antike eine Wiederbelebung erfuhr, sondern auch Geheimwissenschaften die Runde machten, allen voran die Kunst der Alchemie. Wilhelm V. beschäftigte sich bis an sein Lebensende mit Experimenten, die versprachen aus unedlen Stoffen Gold herzustellen. Dass er dabei auch Betrügern aufsaß, wie dem charmanten Schwindler Marco Bragadino, der in München seinen Kopf verlor, hielt ihn nicht davon ab. Die Sprache der Alchemie war und ist geprägt von mythologischen Motiven. Jede Sage wird als geheime Beschreibung alchemistischer Prozesse verstanden. Diana und Apoll spielen dabei eine zentrale Rolle, verkörpern sie doch als Sonne und Mond zugleich die Metalle Gold und Silber, die höchsten Stufen der Alchemie. Hier kommen die vier Attribute wieder ins Spiel, denn sie sind nicht einfach nur Hinweise auf die Kraft und Schönheit Bayerns, sondern auch Symbole der vier Elemente: das Salzfass steht für die Erde, der Krug für das Wasser, der Hirsch mit seinem Geweih wie ein Blitz steht für das Feuer und das Getreide für die Luft, denn wenn der Wind goldene Wellen auf reifen Getreidefeldern zeichnet, wird Luft sichtbar. Es ist die erste Stufe der Alchemie, in der  die Aufgabe darin besteht, diese vier Elemente zu kontrollieren.

Der Tempel selbst ist eines der bedeutendsten alchemistischen Symbole. Auf vielen Darstellungen jener Zeit finden wir ihn als Sinnbild der alchemistischen Labors. Im Ensemble des Hofgartens wiederum bildet er die Mitte zwischen vier Schalenbrunnen, die einerseits eine Anspielung auf die vier Paradiesflüsse sein können, andererseits wiederum die vier Elemente verkörpern als Quellen des alchemistischen Werkes. Der Tempel bildet in diesem Reigen das fünfte Element, die Quinta Essentia, der Stein der Weisen. Im Inneren ist der Tempel wie eine Grotte gestaltet, wiederum ein Symbol für den geheimen Ort, an dem die Verwandlungen geschehen. Gekrönt wird dieser Ort der Transmutation von Diana – der Göttin, die das Ziel am Ende dieser Vorgänge verkörpert.

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CAW

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