Das Brautportal der Frauenkirche

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Das Brautportal der Frauenkirche

Vom 8. Dezember 2015 bis 20. November 2016 fand das von Papst Franziskus ausgerufene außerordentliche Heilige Jahr der Barmherzigkeit statt. Ein Heiliges Jahr beginnt mit einem speziellen Eröffnungsritus: die Heilige Pforte des Petersdoms in Rom öffnet sich. Diese Pforte, steht nur im Heiligen Jahr offen und bleibt ansonsten zugemauert. Die Öffnung der Pforte soll den Gläubigen signalisieren, dass ihnen ein besonderer Weg des Heils offen steht. Zum ersten Mal wird die Heilige Pforte nicht nur in Rom geöffnet, sondern auch in anderen Städten, so auch in München in der Frauenkirche un der Herz-Jesu-Kirche.

Die Pforte zum Paradies in München

In einem Brief aus dem Rom des 15. Jahrhunderts heißt es: „Wer dreimal durch diese Pforte schreitet, dem werden die Schuld und Sündenstrafen nachgelassen. Es ist ein Wunder, das die Menschen erleben … Wenn du also in das Paradies gelangen willst, dann gelingt das.”

Mit drei Hammerschlägen gegen die Heilige Pforte wird das Heilige Jahr eröffnet. Dabeiwird der Psalmvers  (Ps 118, 19 f) gesungen „Öffnet mir die Tore zur Gerechtigkeit, damit ich eintrete, um dem Herrn zu danken. Das ist das Tor zum Herrn, nur Gerechte treten hier ein.“

Erstmals gibt es auch Heilige Pforten in den deutschen Bistümern – darunter unsere Frauenkirche in München. Am 13. Dezember um 10 Uhr öffnet Erzbischof Reinhard Kardinal Marx die Heiligen Pforte. Hier wird das südöstliche Portal, das so genannte “Brautportal” zur Heiligen Pforte …

Das Brautportal der Frauenkirche

Dieses Portal nimmt unter allen fünf Pforten der Frauenkirche eine ganz besondere Stellung ein, denn erst fällt durch seinen besonderen Schmuck auf und durch die darüber angebrachte Sonnenuhr. Das Portal ist eigentlich dem Heiligen Donatus von Arezzo geweiht, dessen Konterfei auch im Medaillon über den Türen zu sehen ist. Doch überliefert ist die Bezeichnung Brautportal, denn von dort aus betraten Brautpaare die Kirche. Wie es im Mittelalter üblich war, wurde die Trauung nicht in der Kirche vollzogen, sondern vor der Pforte, damit die ganz Stadt Zeuge des ehelichen Gelübdes sein konnte. Erst nachdem die Brautleute Ringe getauscht und sich das Jawort gegeben hatten, zog die Hochzeitsgesellschaft in die Kirche, um den Gottesdienst zu feiern. Erst im 16. Jahrhundert setzte es sich allmählich durch die Trauung ganz im Gotteshaus zu vollziehen.

Entsprechend besonders ist das Brautportal ausgestattet. Ebenso wie das Hauptportal ist es mit zweimal fünf Krabben ausgestattet, Blattornamente, die den Torbogen hinaufkriechen, um in einer Kreuzblume zu münden. Auch der Schmerzensmann und die Himmelskönigin sind wieder zu finden. Ungleich den anderen Seitenportalen aber besitzt es ein Gewände, das reich an figürlichen Darstellungen ist und übertrifft damit das Hauptportal an Schmuck sogar. Diese stammen zum großen Teil noch aus der Zeit der Errichtung der Kirche. In der äußeren Archivolte finden sich zweimal fünf weibliche Heiligen, in der inneren zweimal sieben männliche – wie überirdische Trauzeugen. Die unteren Abschlüsse der äußeren Archivolte bilden eine Verkündigungsszene: Links der Erzengel Gabriel mit dem Heroldstab, rechts die Jungfrau Maria.

Maria, die Braut Gottes

Es ist die Szene, in der der Engel zu ihr spricht: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.“ Maria erschrickt, aber Gabriel beruhigt sie und verkündet ihr Gottes Plan: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden.“ Auf die Frage, wie dies geschehen würde, erwidert der Engel: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.“ (Lukas 1,28-35)

In vielen Darstellungen sehen wir einen Lichtstrahl, der aus dem Himmel fällt und Maria trifft. Manchmal gleitet sogar eine Taube als Symbol des Heiligen Geistes auf diesem Lichtstrahl hernieder. In diesem Augenblick wird Maria mit dem Heiligen Geist vermählt, sie wird zu seiner Braut. Diese mystische Hochzeit überragt im Brautportal die Ehen, die unter seinen Bögen geschlossen wurden.
Dass die Wahl dieses wichtigen Tores auf die südöstliche Himmelsrichtung fiel, mag zum einen darin begründet sein, dass diese Pforte dem Stadtzentrum am nächsten liegt. Entsprechend kamen viele Bürger aus dieser Richtung. Andererseits ist es natürlich die Richtung, in die wir aufbrechen müssen, um in das Heilige Land und nach Jerusalem zu gelangen.

Donatus von Arezzo und der magische Kelch

Sogar die Zuordnung dieses Portals zum Heiligen Donatus von Arezzo schlägt in eine ähnliche Kerbe. Donatus lebte im 4. Jahrhundert in Italien, wo er schließlich zum zweiten Bischof von Arezzo wurde. Um sein Leben ranken sich verschiedene fantastische Legenden. So soll er zum Beispiel einen Drachen getötet haben, der einen Brunnen vergiftet hatte. Auch konnte er Quellen hervorspringen lassen.

Berühmt aber ist die Geschichte, als er einst eine Messe hielt, in die aufgebrachte Heiden eindrangen. Im Gerangel zerbrach der Kelch mit dem Blut Christi. Donatus hob die Scherben einfach auf und setzte sie wieder zusammen – und der Kelch war wieder ganz! Der Teufel hatte jedoch ein kleines Stück vom Kelchboden entfernt, sodass ein Loch darin war. Doch wie durch ein Wunder hielt das Gefäß dicht – nicht ein Tropfen ging daneben. Als die Heiden dies sahen, sollen achtzig von ihnen gleich zum Christentum übergetreten sein. Der Heilige Donatus über dem Brautportal hält entsprechend einen Kelch in die Höhe. Einerseits ist der Kelch wiederum ein Symbol für die Jungfrau Maria als Gefäß für den Heiligen Geist, andererseits ist er ein altes Symbol für die Liebe. So ist das gemeinsame Trinken aus einem Becher ist ein Teil vieler Hochzeitsbräuche, zum Beispiel im Judentum. Als Symbol steht er darüberhinaus für Fülle und Verbundenheit.

Der schwarze Eckstein der Frauenkirche

Noch etwas lässt dieses Portal vor allen anderen hervortreten: In seinen Seiten finden sich zwei Tafeln, die von der Grundsteinlegung der Frauenkirche berichten. Auf der linken Seite ein kleinere Inschrift auf schwarzem Stein, die auf Deutsch vom Datum der Grundsteinlegung berichtet, „acht tag nach unser lieben frauen tag zu liechtmess“. Bemerkenswerterweise wählte man für beide Erwähnungen der Grundsteinlegung das südöstliche Portal. Vergleicht man die Grundrisse der alten Marienkirche, dem Vorgängerbau, mit dem der heutigen Kathedrale, so ist auffällig, dass nur dieses Portal mit der Position des ehemaligen südlichen Portals korrespondiert, sich die beiden Bauwerke gewissermaßen hier berühren.

Möglicherweise ist die schwarze Tafel sogar der Grundstein selbst, denn dieser ist nicht im unterirdischen Fundament zu suchen, sondern wurde ganz im Gegenteil stets an einem Platz angebracht, der eine feierliche Bedeutung besaß. Gerne nutzte man dazu Gebäudeecken oder Portale und spielte damit auf den biblischen Eckstein an:

“So spricht Gott der Herr: ‘Seht her, ich lege einen Grundstein in Zion, einen harten und kostbaren Eckstein, ein Fundament, das sicher und fest ist: Wer glaubt, der geht nicht unter. ‘” (Jesaja 28, 16). Das Volk Israel ist “ein Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist aber zum Eckstein geworden. Vom Herrn ist’s geschehen, ein Wunder vor unseren Augen.” (Psalme 118, 2). Im Neuen Testament wird Christus zum Eckstein des Reichs der Gläubigen, zum Stein des Anstoßes aber für die, die nicht an ihn glauben. “Ihr seid Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes, aufgebaut auf dem Grund der Apostel und Propheten, indes Christus Jesus selbst der Eckstein ist. Auf ihm ruht der ganze Bau und wächst heran zu einem heiligen Tempel im Herrn.” (Epheser 2, 19ff)

Warum suchte man das südöstliche Portal für diesen symbolisch so bedeutsamen Stein aus? Vielleicht ist dies wieder eine Anspielung auf den Tempelberg in Jerusalem, den Berg Zion, denn auch der Tempel Salomons hatte seinen Eckstein auch in der südöstlichen Ecke des Felsens. Vielleicht haben aber auch geomantische Überlegungen eine Rolle gespielt.

Eine Himmelsrichtung voller Licht und Reichtum

In vielen Kulturen ist die südöstliche Richtung besonders glücksverheißend, denn sie verbindet die beiden positiven Himmelsrichtungen Osten, dort wo die Sonne aufgeht, und Süden, die Richtung aus der das Licht den Tag über kommt. Die chinesische Geomantie, Feng Shui, ordnet dem Südosten beispielsweise das Trigramm „Sun“ zu, was so viel wie „das Sanfte“ bedeutet und mit Wind in Verbindung steht. „Die lauen Lüfte des Windes, unsichtbar und doch spürbar, fangen sich im … Blätterwerk der Bäume und Büsche und tragen den Blütenstaub von einer Pflanze zur anderen: der fruchtbarkeitsspendende himmlische Segen, der ‚Atem der Erde‘.“ Sowohl der Eheschluss als auch die Verkündigungsszene passen gut zu dieser Vorstellung. Der traditionellen Vorstellung des Feng Shui nach steht diese Himmelsrichtung auch für Wohlstand und Stabilität. Könnte es einen besseren Platz für einen Grundstein geben? In jedem Fall macht dies das Brautportal zu einem der stärksten Kraftorte rund die Frauenkirche und zum eigentlichen Haupteingang in die Kirche. Schade nur, dass es die meiste Zeit für den Publikumsverkehr verschlossen ist.

Sternenweisheit und Spiritualität

Neben diesen historischen Informationen fallen die Anspielungen auf das Thema Zeit und Vergänglichkeit und den Himmel mit seinen Sternen auf. Wenn wir ein paar Schritte Distanz zum Brautportal nehmen, können wir sehen, auf welchen Zusammenhang sich diese Textstellen möglicherweise beziehen: die große Sonnenuhr, mit einer Fläche von 45 Metern eine der größten in Deutschland. Sonnenuhren messen die Zeit und verbinden uns dabei mit dem Lauf der Gestirne. Aus diesem Grund werden sie häufig mit dem Tierkreis und seinen zwölf Zeichen dargestellt, so auch hier. So kann diese Sonnenuhr nicht nur die Tageszeit anzeigen, sondern über die Länge des Schattens auch die Position der Sonne im entsprechenden astrologischen Zeichen.

Allgemein geht man davon aus, dass mindestens seit der Zeit der Turmbekrönung hier eine Sonnenuhr angebracht war. Wie diese ursprüngliche Sonnenuhr ausgesehen hat, wissen wir nicht, sie wurde über die Jahrhunderte mehrmals restauriert und sicherlich verändert, zuletzt im Jahre 1996 nach alten Vorlagen, denn sie wurde im Krieg völlig zerstört. Die Sonnenuhr ist ein Relikt aus einer Zeit, in der kirchliche Spiritualität und antike Sternenweisheit noch im Einklang miteinander standen. Der zwölffältige Tierkreis steht ebenso wie die sieben klassischen Planeten nicht im Widerspruch zur göttlichen Ordnung, sondern verkörpern sie sogar und sind der höchste Ausdruck für die Planmäßigkeit des Kosmos.

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CAW

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